25. September 2024

Hilfe für Säuglinge und Kleinkinder mit Stridor

Überall, wo man Kindern medizinisch begegnet – in der Arztpraxis, im Rettungsdienst und im Krankenhaus – gehören Atemgeräusche zu einem der wichtigsten Symptome und können keine oder auch eine erhebliche Bedeutung haben.

1. Grundsätzliches und Akute Ereignisse

Alle Neugeborenen und Säuglinge haben eine hörbare Atmung mit typischen nasopharyngealen, also einem leisen Schnarchen nahekommenden Geräuschen, was Eltern und Versorger ohne Erfahrung mit Neugeborenen oft irritiert. Hier sollte mindestens einmal eine erfahrene Person zur Beurteilung gefragt werden.

MERKE: Wer an eine Bronchoskopie denkt, soll diese auch machen (lassen)! Zur vollständigen Diagnostik braucht es eine funktionelle und eine anatomische Untersuchung (spontanatmend + in Atemruhelage)

Aus der Konstellation von der Art des Stridors und Anamnese ergeben sich beispielsweise die folgenden typischen Differentialdiagnosen. Weil aber regelhaft eine Diskrepanz zwischen den Symptomen und der Art, Schwere und Bedeutung der zugrundeliegenden Ursachen vorkommt, sollte großzügig eine Bronchoskopie mit funktioneller und anatomischer Untersuchung der Atemwege stattfinden! Keine andere Untersuchungsmethode ist geeignet, eine Diagnose zu stellen und damit unter Umständen eine erhebliche Bedrohung auszuschließen.

Mit „echtem“ Stridor bezeichnet man ein ohne Hilfsmittel hörbares, verstärktes Atemgeräusch, das durch turbulente Luftströmungen an Engstellen der Atemwege entsteht. Der erste Schritt ist eine Beurteilung der Qualität des Geräusches und eine gründliche Anamnese. Viel zu oft – und meistens falsch – wird bei Stridor von Neugeborenen und kleinen Säuglingen eine Tracheomalazie postuliert! Aus der Konstellation von der Art des Stridors und Anamnese ergeben sich beispielsweise die folgenden typischen Differentialdiagnosen (und viele sehr seltene Diagnosen, die hier nicht alle aufgeführt werden können).

Plötzlich einsetzende Atemgeräusche weisen auf ein akutes Geschehen hin, die wichtigsten Diagnosen sind die folgenden.

Eine plötzlich auftretende Atemnot mit exspiratorischem Stridor und Verzögerung der Exspiration, lässt vor allem an Asthma denken. Je kleiner Kinder sind, desto wertvoller ist zur Untersuchung neben der Auskultation auch das Auflegen der Hände auf den Thorax: Spastiken, Sekrete, Atemmuster und Verdichtungen können gefühlt und lokalisiert werden. Das therapeutische Vorgehen bezüglich der inhalativen Therapie unterscheidet sich kaum vom Erwachsen (Tabelle 1).

Beim plötzlich auftretenden inspiratorischen Stridor mit bellendem Husten handelt es sich meist im ein Krupp-Syndrom, der am häufigsten im Rahmen von viralen Infektionen aber auch spontan auftritt und durch eine subglottische Schwellung der Schleimhaut verursacht wird. Diese Erkrankung wird selten bedrohlich und kann äquivalent zum Asthma behandelt werden. Zu den Differentialdiagnosen gehören aber die Tracheitis und Epiglottitis (s. u.). Besonders bei fehlenden Impfungen sowie einer schon über Tage sich entwickelnden Progredienz von Heiserkeit, inspiratorischen Stridor und bellendem Husten – der typischerweise mit einem Spateldruck auf die Zunge ausgelöst werden kann – muss auch an eine Diphterie gedacht werden, die früher auch als „echter Krupp“ bezeichnet wurde.

Tabelle 1: Medikamentöse Therapie beim Asthmaanfall oder Pseudo-Krupp (aus1)

Die Epiglottitis ist in den letzten Jahren wieder häufiger geworden, einerseits wegen fehlender Impfungen aber auch anderer Erreger. Im Unterschied zum Krupp-Syndrom zeigen die Kinder jedoch Zeichen einer schweren bakteriellen Infektion mit hohem Fieber und erheblich eingeschränktem Allgemeinzustand.
Ein präklinischer Intubationsversuch ist nur im äußersten Notfall angezeigt und kann bei eitrig verschwollener Epiglottis sehr problematisch sein. Die Zielklinik muss so früh wie möglich über die Verdachtsdiagnose informiert werden, damit bei Ankunft ein erfahrenes Team bereitsteht.

Die klinisch von einer Epiglottitis nicht zu unterscheidende Tracheitis ist mittlerweile die häufigste lebensbedrohliche Atemweginfektion. Ihre Diagnose ist nur durch eine Bronchoskopie zu stellen. Diese Kinder sind in der Regel einfach zu intubieren, es sollte dennoch fiberoptisch intubiert werden, um ein gründliches Absaugen (cave Tubusobstruktion durch eitriges Sekret) und gleichzeitige Probenentnahmen zu gewährleisten.

2. Der inspiratorische Stridor

Ein inspiratorischer hochfrequenter Stridor ist meist ein Problem in oder nah der Stimmbandebene. Die wichtigsten Differentialdiagnosen sind die Laryngomalazie und die Stimmbandparese.

Laryngomalazie = noch fehlende knorpelige Stabilisierung und Weichheit der supraglottischen Strukturen, es kommt zum Einsaugen von Aryknorpeln und/oder der Epiglottis in die Stimmbandebene [Tipp: großartiges Video bei Anesthesiology: https://links.lww.com/ALN/B253; 1]. Klinisch beginnend meist erst nach ein paar Lebenstagen oder Wochen, dann zunehmend und nur bei Aufregung, selten bedrohlich, verwächst sich meist innerhalb des ersten halben Lebensjahres. Nur wenn bedrohliche Episoden, Gedeihstörung aufgrund der erhöhten Atemarbeit oder bei Thoraxdeformitäten ist eine Intervention angezeigt (in der Dimension von 1:1.000).

Stimmbandparese = fehlende Lateralisierung und damit Öffnung der Stimmbänder und Taschenfalten zur Inspiration, mit dem Verschluss und einer Neigung zur Aspiration hat das nichts zu tun! Meist haben diese Kinder schon seit der Geburt diesen Stridor, der zunimmt aufgrund der typischen Steigerung der Atemarbeit über die kommenden Wochen. Je nach Ruheposition und ein- oder beidseitiger Lähmung kann die klinische Ausprägung sehr unterschiedlich sein und muss ein Kind eventuell tracheotomiert werden. Dies muss dann „pädiatrisch“, also schonend ohne Resektion von Ringkorpeln erfolgen, denn meistens erholen sich die Stimmbänder und das Tracheostoma ist nur vorübergehend nötig. Immer müssen hierbei „zu kleine“ Kanülen eingesetzt werden, die nur zur Einatmung dienen und mit einem Ventil zur Ausatmung schließen (z.B. Pussy-Muir-Ventil). Somit können die Kinder vorbei ausatmen.

Der Inspiratorische niederfrequente (rauhe) Stridor ist meist ein Problem mit einer fixierten Einengung oberhalb des Thoraxeingangs. Die wichtigsten Differentialdiagnosen sind angeborene oder erworbene Stenose, Zysten und Hämangiome.

Ein Stridor durch glottische oder subglottische Zysten tritt meist innerhalb der ersten Lebenstage auf, kann aber auch verzögert als Folge einer Intubation oder auch bei Frühgeborenen auftreten. Sie zeigen typischerweise eine Phase der Zunahme und können dann auch spontan wieder verschwinden. Die Maßnahmen richten sich nach der Ausprägung der Klinik und der Befunde. Manchmal muss man eine große Zyste zu „entdeckeln“ – also zu eröffnen und das Zystendach zu entfernen – sehr selten ist auch eine Tracheotomie (vorrübergehend) notwendig.

Typischerweise bilden sich subglottische Hämangiome erst in den ersten Lebensmonaten aus, nur die Hälfte der Kinder hat auch an den sichtbaren Stellen des Körpers weitere Hämangiome. Die Behandlung mit Propanolol führt meistens innerhalb weniger Tage schon zu einer erheblichen Verbesserung, sodass eine Tracheotomie meistens vermeidbar ist.

Zusätzlich gibt es verschiedene Ausprägungen und Arten von angeborenen oder erworbenen laryngealen Stenosen, bei denen eine differenzierte Bildgebung immer entscheidend ist.

Für Stridor nach Intubation verweisen wir auf unseren Newsletter 4/2024.

3. Der exspiratorische Stridor

Exspiratorischer Stridor ist meist ein Problem unterhalb der Thoraxapertur. Die wichtigsten Differentialdiagnosen sind die Tracheomalazie, Fremdkörperaspirationen, Asthma (siehe 1. Grundsätzliches und Akute Ereignisse) und schwerwiegende Atemwegsstenosen.

Eine Tracheomalazie ist ein mehr oder weniger ausgeprägter Kollaps der Trachea in Atemruhelage, der angeboren sein kann, aber auch durch Obstruktion von außen (Raumforderungen, Gefäßfehlbildungen) bedingt sein kann. Klinisch fällt sie typischerweise mit bellendem Husten auf und je nach Lage kann auch ein biphasischer Stridor präsent sein. Eine endoskopische Beurteilung ist nur in Atemruhelage möglich, denn beim spontan atmenden Kind kommt es zum Laryngospasmus bei weiteren Atembemühungen und damit zu einer Überschätzung des Befundes sowie sehr schlechter Untersuchungsbedingungen (übersehen weitere Befunde!). Bei Verdacht auf eine Kompression von außen muss eine thorakale Bildgebung erfolgen (je nach Fragestellung MRT oder CT).

Verschiedene Formen und Ausprägungen von Stenose durch angeborene Fehlbildungen oder auch erworbenen Stenosen in den gesamten unteren Atemwegen können exspiratorischen Stridor auslösen und erfordern eine Bronchoskopie zur Diagnose.

4, In- und Exspiratorischer Stridor

Engstellen im Übergang zum Thorax, aber auch letztendlich jede besonders schwere Ausprägung der genannten Ursachen kann einen In- und Expiratorischen Stridor verursachen, sodass dies als ein besonders bedrohliches Symptom wahrgenommen werden muss.

Auch bei einer Fremdkörperaspiration kann nach dem heftigen Hustenereignis und je nach Größe und Lage des Fremdkörpers ein in- und/oder exspriratorischer Stridor auftreten.

Für Einzelheiten zur Fremdkörperaspiration siehe Newsletter 5/24 sowie die neue AWMF-Leitlinie, die im Laufe des Jahres 2024 publiziert werden wird (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-031).

Prof. Dr. Kaufmann leitet die Endoskopie am Kinderkrankenhaus und ist auch dort stets ansprechbar bei differenzierten Fragestellungen (Sekretariat: https://www.kliniken-koeln.de/Kinderanaesthesiologie_Team.htm)

Literatur:

  1. Laschat M, Kaufmann J, Wappler F. Laryngomalacia with Epiglottic Prolapse Obscuring the Laryngeal Inlet. Anesthesiology 2016; 125: 398, DOI: 10.1097/ALN.0000000000001035

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