16. Februar 2025
Fremdkörperingestion:
die wichtigsten Regeln der neuen S2K-Leitlinie
Fremdkörperingestionen sind häufige Notfälle bei Säuglingen und Kleinkindern, da Gegenstände oft mit dem Mund untersucht werden und die Schluckkoordination noch nicht vollständig entwickelt ist. Aber auch ältere Kinder mit Entwicklungseinschränkungen sind regelmäßig betroffen.
Ein häufiger Ablauf ist, dass Kinder Gegenstände mit dem Mund festhalten und sie beim plötzlichen Lachen oder Erschrecken versehentlich verschlucken. Bei Jugendlichen gibt es zudem Fälle, in denen Fremdkörper bewusst eingenommen werden, oft im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen.
Letztendlich wird alles verschluckt, was in den Mund von Kindern passt. Am häufigsten handelt es sich dabei in Deutschland um Münzen, Alltagsgegenstände und Spielzeug. Im Dezember 2024 haben wir dazu die aktualisierte Leitlinie auf dem Portal der AWMF veröffentlicht ([1].
Das initiale Ereignis wird in zirka der Hälfte nicht beobachtet. Es kommt es typischerweise zu Würgen, Speicheln, Luftnot und Husten. Somit ist die Situation klinisch oft nicht eindeutig von einer Fremdkörperaspiration zu unterscheiden, weswegen unter Umständen beides ausgeschlossen werden muss. Nach dem akuten Ereignis haben nur ein Drittel der Symptome. Wenn der Fremdkörper allerdings in der Speiseröhre steckt, sind es 50% und Schluckbeschwerden, Schmerzen, Erbrechen und Atemprobleme sind die Leitsymptome.
Die Anamnese ist wichtig und muss gründlich erhoben werden. Man kann sich aber nie voll darauf verlassen, denn die gemachten Angaben sind regelhaft lücken- oder fehlerhaft. Weil die Art des Fremdkörpers und zudem seine Lage entscheidend für das weitere Vorgehen sind, sollte großzügig eine bildgebende Diagnostik durchgeführt werden. Bei röntgendichten Fremdkörpern ist ein Röntgenbild vom Epipharynx bis zur Symphyse (im ersten Schritt ggf. zum Oberbauch) notwendig. Bei nicht-röntgendichten Fremdkörpern können Ultraschall versucht und in besonderen Situationen auch eine Schnittbilddarstellung (MRT, CT) erwogen werden.
Dabei sind Fremdkörper im Ösophagus besonders bedeutsam, denn sie führen einerseits oft zu starken Beeinträchtigungen und bei längerer Liegezeit auch zu Komplikationen. Knopfzell-Batterien klemmen meist im (oberen) Ösophagus und können dort zu schwersten Verätzungen führen, in deren Folge lebensgefährliche Fisteln in die Trachea oder in große Blutgefäße entstehen können (siehe dazu Blogbeitrag „Knopfzellen, die Gefahr in der Wohnung„). Manchmal kann nur eine präventive Operation lebensrettend sein, wie aus dem Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße in Köln erstmalig weltweit open Access publiziert [2].
Aber auch Nadeln, Zahnstocher, Gräten und Vergleichbares sind gefährlich und können im gesamten Magen-Darm-Trakt perforieren. Aufquellende Gegenstände (z.B. Spielzeug und Deko-Kugeln, die supraabsorbierende Polymere enthalten) können zu einem Darmverschluss führen. Beides sollte daher nach Möglichkeit noch vor Verlassen des Magens geborgen werden. Scharfkantige Gegenstände, die den Magen erreicht haben und aufgrund Ihrer Größe wahrscheinlich auch weiter wandern würden (z. B. Glasscherben) sollten hingegen nicht gegen die Peristaltik geborgen werden, denn dabei können wahrscheinlicher Verletzungen entstehen als antegrad mit der Peristaltik. Wenn die Fremdkörper zu groß dafür sind, müssen bei deren Bergung geeignete Schutzkappen verwendet werden.
Literatur:
- Kaufmann J. S2k-LL 001/031 Fremdkörperaspiration und Ingestion im Kindesalter. AWMF 2024
- Lohmann J, Klein T, Stenzel M, Aleksic M, Fuchs P, Boemers T und Kaufmann J. Drohende ösophago-arterielle Fistel nach Batterieingestion – weltweit erste präventive Operation bei einem Kleinkind. Anaesthesiologie 2025; 74: 28-30, DOI: 10.1007/s00101-024-01477-3