12. August 2023

Notfallsanitäter dürfen Betäubungsmittel verabreichen

Am 27. Juli 2023 traten mehrere Änderungen des BtMG in Kraft [1]. Maßgeblich ist folgende (verkürzte) Aussage: „Betäubungsmittel dürfen durch Notfallsanitäter ohne vorherige ärztliche Anordnung verabreicht werden, wenn diese nach standardisierten ärztlichen Vorgaben handeln, ein Eintreffen eines Arztes nicht abgewartet werden kann und die Verabreichung zur Abwendung von Gefahren für die Gesundheit oder zur Beseitigung oder Linderung erheblicher Beschwerden erforderlich ist.” Nun liegt es an den Ärztlichen Leitern der Rettungsdienste, standardisierte Verfahrensanweisungen festzulegen und organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, die einer Gewährleistung von Sicherheitsaspekten und der Dokumentationspflicht gerecht wird.

Grundsätzlich ist dies eine Chance zu einer rascheren, adäquaten Schmerztherapie und damit bedeutsamer Verbesserung der Patientenversorgung. Der Gesetzestext enthält keine Aussage zum Alter der Patienten oder dazu, ob Kinder – und wenn ja, in welchem Alter – ebenfalls von dieser Gesetzesänderung profitieren sollen.

Vorsicht bei Kindernotfällen
Aus Sicht der Kindermedizin sind hier eine besondere Vorsicht und das Hinzuziehen von Experten mit pädiatrisch-pharmakologischen Kenntnissen bei der Planung der Konzepte zwingend geboten. Bedeutsame Aspekte dazu werden auch in der S2K-Leitlinie “Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen” [2] adressiert. Zum Beispiel wird dort auch auf Kinder mit einem stark erhöhten Risikoprofil hingewiesen, die entsprechende Literatur wird aufgearbeitet und es werden konkrete Empfehlungen genannt.

Die Tabelle aus der Leitlinie:

Kinder mit stark erhöhtem Risiko für Atemdepressionen durch Opioide und/oder Sedativa

    • Muskelschwäche, muskulär oder neurologisch bedingt
    • Obstruktionen der oberen Atemwege, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
    • Neurologische Entwicklungsverzögerungen oder -einschränkungen
    • Neurodegenerative Erkrankungen
    • Verschiedenste syndromale Erkrankungen
    • Schwierige anatomische Verhältnisse der Atemwege
    • Nierenfunktionseinschränkungen

Bedrohliche Dosierungsfehler mit dem PädNFL vermeiden

Zusätzlich sind Dosierungsfehler bei Opioiden besonders gefährlich und müssen dringend vermieden werden. Am Beispiel des Fentanyl konnte gezeigt werden, dass bedrohliche Dosierungsfehler zuvor bei 44% der Kinder vorkamen und durch den Einsatz des Pädiatrischen Notfalllineals (PädNFL; www.paednfl.de) solche Fehler vollständig vermieden werden konnten [3].

Literatur:

  1. Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – ALBVVG). BGBl. 2023 I Nr. 197 vom 26.07.2023
  2. Kaufmann J, Rascher W, Neubert A, Eich C, Krebs M, Schwab R, et al. S2k-Leitlinie 027/071: „Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen“ AWMF 2021; https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-071.html
  3. Kaufmann J, Roth B, Engelhardt T, Lechleuthner A, Laschat M, Hadamitzky C, et al. Development and Prospective Federal State-Wide Evaluation of a Device for Height-Based Dose Recommendations in Prehospital Pediatric Emergencies: A Simple Tool to Prevent Most Severe Drug Errors. Prehosp Emerg Care 2018; 22: 252-259

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